CDs
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NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
von Thomas Hintze
Aus seiner umfangreichen CD-Sammlung
fischt der Jazz-Kenner und -Liebhaber
Thomas Hintze für die STEREO-Leser jeden
Monat die schönsten Schätze. Im Folgenden
widmet er sich den Standards.
Meine Jazz Standards
„Lush Life“
D
er heutige Standard hat eine et-
was längere Geschichte. Er geht
zurück auf Billy Strayhorn, einen
jungen Jazzpianisten und -kompo-
nisten, der Anfang der 1930er Jah-
re noch ein Teenager war. Damals
hatte er den Titel „Lush Life“ zwar
schon komponiert, aber nocht nicht
veröffentlicht. Als er 1938 Duke El-
lington vorspielte, war auch „Lush
Life“ dabei, doch der Duke erkann-
te eher Strayhorns Talent für Auf-
gaben in seiner Band und nahm
das Stück niemals auf. (Immerhin
durfte Strayhorn in Ellington-Kon-
zerten „Lush Life“ oft als Solopia-
nist vortragen.)
So richtig Fuß fassen konnte die-
ses herrliche Stück erst, als
John
Coltrane
1958 bei Prestige eine Auf-
nahme machte. Deshalb soll die
CD
„Lush Life“
(Concord) auch den
Auftakt bilden. Dass es sich um ei-
ne Monoaufnahme handelt, soll-
te in diesem Fall keine Hürde sein,
denn damals war Stereo noch nicht
unbeding Standard. Tonmeister war
Rudy van Gelder, der sich bekannt-
lich immer tüchtig ins Zeug leg-
te, um beste Klangqualität zu ga-
Schon seit längerer Zeit wollte ich
Ihnen einmal den Pianisten
Bobby
Timmons
empfehlen, aber es er-
gab sich keine Gelegenheit, denn
meist „versteckte“ er sich bei Art
Blakey und den Jazz Messengers
oder Canonball Adderley, um sei-
ne wichtigsten Stationen zu nen-
nen. Ein Glück, dass er auch mit ei-
nem eigenen Klaviertrio Aufnah-
men machte (an seiner Seite fin-
den wir den Bassisten Sam Jones
und Drummer Jimmy Cobb), denn
so können wir ihn einmal ausgie-
Cover verleiten? Früher bei der LP
ist mir das oft passiert, das heu-
tige CD-Format dagegen finde ich
nicht so verführerisch. Eine Aus-
nahme bildet für mich die CD
„You
Are There“
von
Roberta Gamberi-
ni
und
Hank Jones
(Emarcy). Der
Pianist Hank Jones gehörte schon
immer zu meinen Favoriten, aber
die Sängerin sagte mir nicht all-
zu viel, machte aber auf dem
Cover zumindest optisch eine über-
zeugende Figur. Umso überrasch-
ter war ich, als die ersten Takte er-
Grunde ein „Instrumental“. Mei-
ne Ehrfurcht vor der Spielweise
von Hank Jones veranlasst mich
noch zu erwähnen, dass dieser zum
Zeitpunkt der Aufnahme 87 Jah-
re alt war. Ob es Altersweisheit
ist, die aus seinen Interpretationen
spricht, weiß ich nicht, aber es liegt
nahe. Um die Verwirrung komplett
zu machen, ist diese CD auch unter
dem Titel „Lush Life“ erhältlich, auf
meiner eigenen aber steht wie an-
gegeben „You Are There“.
Da ich mit John Coltrane begann,
möchte ich auch mit einem Tenor-
saxofonisten schließen, der nach
meinem Verständnis die Tradition
Coltranes fortgeführt hat. Es han-
delt sich um
Joe Henderson
mit der
CD
„Lush Life - The Music of Billy
Strayhorn“
(Verve). Im Gegensatz
zu vielen anderen Einspielungen
finden wir hier den Titelsong als
Abschluss. Henderson spielt ihn
ohne Begleitung, und ich empfin-
de dies als eine großartige Reve-
renz an Billy Strayhorn, aber auch
an John Coltrane. Sollten Ihnen die
Aufnahmen von Coltrane und Hen-
derson vorliegen, legen Sie diese
John Coltrane: Lush Life
Bobby Timmons Trio: Bobby Timmons
Trio
Roberta Gamberini, Hank Jones:
You Are There
Joe Henderson: Lush Life -
The Music Of Billy Strayhorn
rantieren. So klingt es trotz Mo-
no großartig, und das Album ver-
dient die Bezeichnung High Fide-
lity. Auf der CD sind drei Platten-
Sessions angegeben, so dass die
Besetzungen unterschiedlich sind.
Beim Titeltrack spielen mit Coltra-
ne der Trompeter Donald Byrd so-
wie Red Garland (Klavier), Paul
Chambers (Bass) und Louis Hayes
(Schlagzeug). Wenn Sie nun beim
Mailorder-Versender JPC „Lush
Life“ und „Coltrane“ eingeben, fin-
den Sie etwa 14 Einträge. Nehme ich
die LP einmal aus, dann wäre sicher
eine Ausgabe der „Rudy van Gelder
Remaster“-Edition eine gute Wahl
zum Preis von nur rund acht Euro.
big auf der CD
„Bobby Timmons
Trio“
(Fresh Sound) erleben, die
die Tracks von zwei LPs vereint:
„This Here Is Bobby Timmons“ und
„Easy Does It“. Bei „Lush Life“ hö-
ren wir ihn mit einem Solo. Schön
ist dabei zu verfolgen, über welche
pianistischen Fähigkeiten er verfüg-
te, wenn er einmal ganz auf sich ge-
stellt war. Bobby Timmons war aber
auch ein hervorragender Kompo-
nist, der für einen Jazzhit wie „Moa-
nin“ bei Art Blakey verantwortlich
zeichnet. So ist es nicht verwun-
derlich, dass nahezu die Hälfte der
Stücke aus seiner Feder stammen.
Lassen
Sie
sich
beim
Kauf
von CDs auch schon einmal vom
tönten und ich einer erwachsenen,
flexiblen Stimme mit schöner dunk-
ler Färbung lauschte. Auf jeden Fall
ist die aus Italien stammende Ro-
berta Gamberini eine tolle Entde-
ckung. Auch als ich mich bis zum
11.
Titel, eben „Lush Life“, durch-
gehört hatte, kam keine Sekunde
Langeweile auf. Unser Standard
entpuppt sich hier als ein wunder-
bares Lied, bei dem sich Stimme
und Klavier großartig ergänzen. Als
Billy Strayhorn den Song schrieb,
hatte er übrigens noch keinen Na-
men, erst später ergab sich aus
dem Text der Titel. Dann wurde er
auch bei den Jazzsängerinnen be-
kannt und beliebt, blieb aber im
doch einmal nacheinander in den
Player: Für mich jedenfalls schließt
sich ein Kreis. Da Henderson hier
ausschließlich Strayhorn-Titel dar-
bietet, gibt es natürlich auch so be-
kannte Stücke wie „Take The ,A‘
Trane“ oder „Rain Check“. Noch ein
Wort zu der Besetzung. Henderson
spielt in unterschiedlicher Zusam-
menstellung, dabei sind Wynton
Marsalis (Trompete), Stephen Scott
(Klavier), Christian McBride (Bass)
und Gregory Hutchinson (Schlag-
zeug). Wenn Sie die Geburtsdaten
vergleichen, denkt man übrigens
fast an einen Vater und seine Söh-
ne. Ich wünsche Ihnen viel Spaß
und verbleibe, Ihr Thomas Hintze.
130 STEREO 2/2014
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